- Über Ungleichheit, Emanzipation und Befreiung
Der Mensch, als Individuum, im Rudel, als Gesellschaft als herrschende Macht im irdischen Raum. Ein beinahe unerschöpfliches Objekt der Forschung, entwickelt sich mit rasender Geschwindigkeit. Immer neue Felder werden erobert, immer weiter geht der Forscherdrang, die Suche nach der Wahrheit und Wahrhaftigkeit. Viele Theorien wurden im Laufe der Geschichte publiziert, wovon sich einige als wahr und andere als falsch erwiesen. Doch wenn es nur so einfach wäre, mit dem wahr und dem falsch. Es gibt auch wissen, welches einfach nicht anerkannt wird, oder anders formuliert, welches nur schwer Einzug in das Denken der Weltbevölkerung findet. Nun sicherlich ist die Tatsache, dass nicht alle Menschen den gleichen Zugang zum Wohlstand haben ein wesentlicher Aspekt, warum wir es als Menschheit nicht schaffen uns von freiheitseinschränkenden Zwängen und Vorurteilen zu befreien. Mit Wohlstand meine ich zum einen die Grundversorgung, welche die Grundbedürfnisse wie selbstverständlich abdeckt und zum anderen den Zugang zu Strukturen, die es ermöglichen die Persönlichkeit und das Bewusstsein in vollem Maße zu entwickeln. Es ist sicherlich klar, dass in einer Gesellschaft in der Unterdrückung, Diskriminierung und Armut herrschen, in denen das Überleben an sich schon eine Herausforderung ist, die freiheitlichen Entwicklungen von Persönlichkeit und Bewusstsein nicht in dem Maße gegeben sind, wie in einer Gesellschaft die es sich zum Ziel setzt den demokratischen Gleichheitsgrundsatz zu leben und zu verteidigen.
Jetzt könnte ja vermutet werden, dass in den demokratisch organisierten und wohlhabenden Systemen auf diesem Planeten, soweit alles klar ist. Dass die Menschen frei sind, ihr volles Potential auszuschöpfen. Dem ist leider nicht so! Auch in den Wohlstandsgesellschaften, schaffen wir es nur schwer uns von abwertenden und diskriminierenden Ansichten zu befreien, auch wenn die Wissenschaft uns Beweise liefert, warum eine Diskriminierung und Abwertung Nonsens ist. Diese Abwertungen und Diskriminierungen sowie Ungleichbehandlungen entstehen aus den unterschiedlichsten Befindlichkeiten heraus. Da ich der Mehrheit der Menschen grundsätzlich eher Egoismus als Altruismus unterstellen würde, geht es beim Fortkommen und bei der Entwicklung immer auch um Nutzen. Der individuelle Nutzen kann Beispielsweise das erlangen von Macht, oder deren Festigung sein. Viele Entscheidungen, sei es im Kleinen oder im Großen, legen diesen Parameter zugrunde. Die Frage danach, welchen Profit ziehe ich aus der Situation, wenn ich mich für oder gegen eine Handlung entscheide. Dieses Denken ist nicht ungewöhnlich, sondern eine Folge der menschlichen Evolution über die letzten Jahrhunderte.
Nicht artig
Man ist ja von Natur keine Engel,
vielmehr ein Welt- und Menschenkind,
und ringsumher ist ein Gedrängel
von solchen, die dasselbe sind.
In diesem Reich geborner Flegel,
Wer könnte sich des Lebens freun,
Würd´es versäumt, schon früh die Regel
Der Rücksicht kräftig einzubläun.
Es saust der Stock, es schwirrt die Rute.
Du darfst nicht zeigen, was du bist.
Wie schad, o Mensch, daß dir das Gute
im Grunde so zuwieder ist.
(Wilhelm Busch)
Ja auch der Mensch ist nur eine Tier und unterliegt dem Gesetz des Stärkeren und den Mechanismen der Evolution. Wie sagte Erich Kästner so schön: "Die ersten Menschen waren nicht die letzten Affen."
Sich gegen andere durchzusetzen, sowohl im näheren Umfeld als auch auf dem Weltpolitischen Parkett und die daraus resultierende, meist persönliche Nutzenmaximierung hat wohl schon so manchen Charakter verdorben.
In dem Zusammenhang von Nutzen, Macht und Politik muss ich immer an Abraham Lincoln denken, der mal sehr passend bemerkte: "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen so gib ihm Macht." Aber das nur en passant.
Eine Anpassung an das bestehende kapitalistische System führte bei den Menschen beobachtbar zu einer "Egolution". Der eigene Vorteil, die eigene Position und Profilierung sind zu zum Teil zu den wichtigsten Entscheidungsparametern avanciert. Da der Mensch ein Organismus ist der nur selten ein eremitisches Leben bevorzugt, fällt es auch besonders schwer, dieses Verhalten, welches uns umgibt nicht zu reproduzieren. In diesem Zusammenhang fällt mir ein Satz von Goethe ein, der hier sehr schön passt.
"Nicht allein das Angeborene, sondern auch das Erworbene ist der Mensch."
Was bedeutet das nun für unsere Entwicklung und unsere Emanzipation? Sind wir Gestaltende oder Gestaltete?
Nach Thomas Hobbes hat die Natur den Menschen mit Vernunft ausgestattet, welche uns befähigt, Grundsätze zu erkennen, die ein friedliches Zusammenleben gewährleisten und aus dem ungeordneten Naturzustand herausführen. Diese Grundsätze bezeichnet Hobbes als Gesetz der Natur. Das erste natürliche Gesetz fordert, dass jeder sich für ein friedliches Zusammenleben einsetzt. Thomas Hobbes formuliert damit Handlungsempfehlungen die als das Fundament für das gesellschaftliche Zusammenleben betrachtet werden können. (vgl. Thomas Hobbes: Leviathan. suhrkamp, 1984, S.98 ff.)
Doch wie können wir uns für ein friedliches Zusammenleben einsetzen, wenn wir unseren eigenen Nutzen, ganz im Sinn des kapitalistischen Gedankens, als obersten Parameter ansetzen, unser eigener Wohlstand und unser eigenes Fortkommen immer dem der Anderen vorangestellt wird? Kann es überhaupt Gleichheit in kapitalistisch organisierten Systemen geben?
Die Süddeutsche Zeitung hat dazu 2015 einen anschaulichen Artikel veröffentlicht, dessen zentrale Aussage ist, dass den Gesellschaften in denen eine liberale Marktwirtschaft, ohne Regularien herrscht die Ungleichheit besonders groß ist.
(link.:http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wachstum-und-wohlstand-kurven-des-kapitalismus-1.2533482)
Diese Ungleichheit zeigt sich auf mannigfaltige Weise. Sei es die Ungleichheit im Einkommen, der Bildung, den Teilhabechancen am kulturellen und wirtschaftlichen Leben, oder die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern.
Ständig werden Menschen ungleich behandelt, zumeist ist diese Ungleichbehandlung eng mit dem sozialen Status oder anders, der Herkunft verbunden. Die Sinnhaftigkeit dieser Ungleichbehandlungen ist meines Erachtens nicht gegeben.
Im Bereich der Ungleichbehandlung zwischen den Geschlechtern (ich weiß nicht, ob es eine Steigerung von sinnlos gibt hier wäre sie auf jeden Fall angebracht), sind die Mechanismen etwas komplexer. Hier spielen geschichtliche Entwicklungen, Gesellschaftssysteme und vor allem Religion und das Propagieren von patriarchalen Strukturen eine wesentliche Rolle. Diese Ungleichbehandlungen sind in unterschiedlicher Ausprägung in allen Gesellschaften zu beobachten. Hier sind Herkunft und Wohlstand sowie Ethnie nicht die wichtigen Parameter für die Diskriminierung, obwohl ich das nicht gänzlich ausschließen kann.
Doch warum? Ist es wirklich nötig den Menschen anhand des Geschlechtes zu kategorisieren und dementsprechende stereotype Eigenschaften zuzuschreiben, die zu einer Ungleichbehandlung führen? Sicherlich gibt es Unterschiede, rein optisch, endokrinologisch und der Wissenschaft folgend auch in der Hirnarchitektur.
"Der Geschlechtergegensatz ist zwar elementar und evident, aber nicht absolut."
(Barbara Sichtermann)
Der Geschlechtergegensatz ist allein deswegen schon nicht absolut, weil Unterschiede so divers sind, dass zwei Kategorien allein nicht reichen, abgesehen davon dass es Menschen gibt die beide Geschlechter in sich vereinen. (Zu diesem Thema empfehle ich den Vortrag von Vera F. Birkenbihl - Männer Frauen Unterschiede?)
Da der Mensch aber gerne in Kategorien denkt und dazu neigt zwischen Extremen zu schwanken. Greifen wir auch hier auf diese Ordnungsstruktur zurück. (siehe dazu einen meiner vorangegangenen Artikel Ganz oder gar nicht – Warum uns das dazwischen so fertig macht.)
Welch ein Meilenstein war da der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 10. Oktober 2017 (1BvR2019/16 Pressemitteilung vom 8. November 2017 Nr. 95/2017) eine "dritte Kategorie" Geschlecht als Grundsatz zu erklären. Ein Großes Ja hätte mancher Mensch schreien mögen, als dieser längst überfällige Schritt nun endlich Realität wurde. Zumindest in der BRD. So heißt es in der Pressemitteilung: "Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art.2 Abs.1 i.V.m. Art.1Abs.1 GG) schützt auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen." Eine wichtige gesetzliche Grundlage zur Anerkennung des Individualismus und der Freiheit. Eine rechtliche Grundlage zum Umdenken. Kleine und zaghafte Schritte hin zu einer Gesellschaft die Menschen als Menschen sieht.
"Es gibt keine soziale Befreiung der Menschheit ohne die soziale Unabhängigkeit und Gleichstellung der Geschlechter"
(August Bebel)
Diese Gleichstellung der Geschlechter gilt aber für alle Geschlechter. Benachteiligungen aufgrund von Stereotypisierungen sind ein massives Entwicklungshemmnis. Ungleichbehandlungen berauben uns wichtiger Chancen, sie unterdrücken Potentiale. Menschen als Individuen wahrzunehmen unabhängig vom Geschlecht, der Ethnie, der Herkunft usw. bringt uns als Gesellschaft voran. Wenn wir uns emanzipieren wollen, schaffen wir das nur gemeinsam. Es nützt dem Fortkommen langfristig nicht, nur einzelne Gruppen der Gesellschaft zu fördern. Diese Förderung kann immer nur als erster Schritt gesehen werden, um zu einer Position zu kommen, von der aus dann gemeinsam weiter vorwärts in Richtung Freiheit und Gleichheit gegangen wird. Denn wird diese einseitige Förderung verstetigt dann befinden wir uns automatisch wieder in einem Strudel der Ungleichbehandlungen, quasi der Uroborus des Kampfes gegen die Diskriminierung.
Also befreit euch von dem Kategorienzwang, vertraut nicht auf die Meinung anderer. Bildet euch selbst ein Bild und fragt euch, ob es sinnvoll ist Menschen anhand von Äußerlichkeiten in Schubladen zu stecken, nur weil es schon immer so war.
"Wenn 50 Millionen Menschen etwas Dummes sagen, bleibt es trotzdem eine Dummheit."
(Anatole France)
In diesem Sinne viel Erfolg!
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